Kunstakademie Düsseldorf
27. September 2018, 15:00 Uhr,
28. September 2018, 19:00 Uhr
Digitale Technologien stehen im Zentrum eines Geschehens, das oft als »dritte industrielle Revolution« bezeichnet wird, und das unsere Zeit tiefgreifend zu prägen scheint. So bedingen computergestützte Systeme zusehends unser Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Handeln–speziell unser Produzieren, Kommunizieren und Konsumieren–und verändern damit unser Verhältnis zu den Dingen, zu anderen Individuen, zur Gesellschaft und zu uns selbst. Tatsächlich scheint etwas im Gange zu sein, was die Verwendung von Titeln wie »digitale Revolution«, »Homo Digitalis« (Capurro) oder »sinngeschichtlicher Tiefentransformation durch Technologie« (Hörl) zu rechtfertigen scheint. Ziel des Workshops soll es sein, die Bedeutung dieses Geschehens ein Stück weit zu klären, indem wir die digitalen Technologien auf ihre temporale Dimension hin diskutieren. Bedingen digitale Technologien – diejenigen Technologien also, die mit dem Computer und dem Internet zusammenhängen – eine neue, besondere Zeit bzw. Zeitlichkeit? Wenn ja, wie lässt sich diese beschreiben, und was verrät sie uns über den grundsätzlichen Zusammenhang von Technik und Zeit? Liegt in der digitalen Zeitlichkeit vielleicht zwangsläufig etwas Beherrschendes – oder eher etwas Befreiendes? Ist es überhaupt sinnvoll, eine solche Frage zu stellen? Das heißt, lässt sich eine Technik und ihre Temporalität unabhängig von ihrer konkreten Verwendung ethisch, moralisch oder politisch bewerten? Um eine solche Bewertung zu legitimieren, könnte man darauf verweisen, dass es – philosophisch gesehen – weniger darauf ankommt, zu sehen, wozu eine Technik genutzt wird, als darauf zu sehen, was eine Technik ermöglicht. Und hier stellt sich dann unter Anderem die Frage, ob sich – Herbert Marcuse folgend – überzeugend dafür argumentieren lässt, dass die gegenwärtige technische Bedingung und die Form von Zeitlichkeit, die sie hervorbringt, paradoxerweise das Potential in sich trägt, sowohl die Entwicklung eines »Reichs der Freiheit« als auch die Entwicklung eines Reichs totaler Kontrolle zu ermöglichen.
Dass sich die digitale Technik durch eine besondere Zeitlichkeit auszeichnet, ist natürlich keine neue These. So wird im Zusammenhang mit dem Computer und dem Internet oft von einer radikalen Beschleunigung gesprochen (Virilio, Rosa). Auch von temporaler Kontrolle, Rekursion und Prävention (Deleuze, Stiegler), von Permanenz (Deleuze, Crary) und von Gegenwartsdehnung sowie Gleichzeitigkeit bzw. Synchronizität (Capurro) ist viel die Rede. Hinter – oder neben – alldem stehen einflussreiche Theorien zum Verhältnis von Technik, Intentionalität und Weltbezug, die jede für sich ein Nachdenken über den Zusammenhang von Technik und Zeit auf die eine oder andere Weise initiiert oder zumindest motiviert (Kapp, Cassirer, Heidegger, Adorno, Blumenberg, McLuhan, Haraway, Kittler, Hayles usw.) Wir freuen uns über Vorträge, die der temporalen Dimension der digitalen Technik nachgehen, indem sie beispielsweise bestimmte Zeitbegriffe oder Zeitfiguren thematisieren, sich mit bestimmten Techniktheorien ausführlich auseinandersetzen, konkrete (digitale) Operationen bzw. Konstellationen diskutieren, oder sich so mit dem Verhältnis der digitalen Technik zu sozialen Feldern wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft oder Kunst befassen, dass sich etwas Aufschlussreiches hinsichtlich des Verhältnis von digitaler Technik und Zeitlichkeit zeigt.
Programm
Donnerstag, 27. September 2018
15.00-15.30 Ludger Schwarte und Thomas Hilgers: Begrüßung
15.30-16.30 Yvonne Förster: Zeit in digitalen Lebenswelten
17.00-18.00 Sebastian Lederle: Zeit für sich. Zeitphilosophische Aspekte des
Technisierungsbegriffs bei Hans Blumenberg
18.00-19.00 Oliver Müller: Das Veloziferische in Technisierungsprozessen
Abendessen (Zur Uel, Ratinger Str. 16)
Freitag, 28. September 2018
10:30-11:30 Andreas Kaminski: Informelle Technik und Erwartung
11:30-12:30 Gabriele Gramelsberger: Labore - Herstellungsorte temporaler
Artifizialitäten
Mittagessen (Ohme Jupp, Ratinger Str. 19)
14:30-15:30 Thomas Hilgers: Kontrollzeit: Eine Zeit der digitalen Technik?
15:30-16:30 Katerina Krtilova: Zeitschleifen. Zur ästhetischen Kritik digitaler Medien
17:00-18:00 ?
18:00-19:00 Erich Hörl: Die Zeit der Environmentalität
Abendessen (Zicke, Bäckerstraße 5a)
Der Workshop findet im Rahmen des durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanzierten Schwerpunktprogramms 1688 »Ästhetische Eigenzeiten. Zeit und Darstellung in der polychronen Moderne« und in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik statt. Es handelt sich um eine nicht öffentliche Veranstaltung. Interessierte Kollegen_innen können sich aber gerne an Thomas Hilgers (thomas.hilgers@kunstakademie-duesseldorf.de ) wenden und nach Absprache teilnehmen.